Picavet-Aufhaengung

Ein Luftbildrigg wird in der Regel mit einer speziellen Aufhängung in die Drachenschnur gehängt. Neben der Stabpendelaufhängung verwendet man vor allem die Seilpendelaufhängung. Diese allgemein nur als Picavet-Aufhängung bekannte Version soll hier nun vorgestellt werden.

Die Luftbildseilbahn in Aktion.
Eingestzt wird
das Minox ML Rigg mit...

...einer Stabpendelaufhängung

...einer Seilpendelaufhängung/
Picavet-Aufhängung

“Im November 1912 veröffentliche PICAVET im Magazin “La Revue du cerf-volant” den Artikel “Suspension Pendulaire Elliptique” (Elleptische Seil-Pendel-Aufhängung). und belegt damit, dass bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts Probleme der Stabilität bei der Fesseldrachen-Luftbildfotografie Gegenstand der Forschung waren.
Es ist der Verdienst von Michel DUSARIEZ, dem Präsidenten der Kite Aerial Photography Worlwide Association (KAPWA), die Veröffentlichung von Pierre L. PICAVET im KAPWA-Magazin vom April 1988 (Vol. 3, No 2) vorzustellen und so dem Schicksal des Vergessens zu entreißen.
In seinem Artikel bezeichnet PICAVET unter bereits bestehenden Pendelaufhängungen jene eines gewissen Captain SACONNY als geeignet, verzichtet jedoch wegen der komplizieten Bauweise auf eine nähere Beschreibung.
Als Variante verweist PICAVET auf die “flexible elliptische SACONNY-Aufhängung”, die ein Monsieur AUBRY benutzt und leitet von dieser “AUBRY-Aufhängung” seine später willkürlich als “PICAVET-Aufhängung” bezeichnete Seilpendelaufhängung ab.
Das 1. Internationale treffen der Fessel-Drachenluftbildfotografen 1993 in Deutschland (vgl. Sport&Design Drachen 3/1993, Seite 28+29) führte Luftbildfotografen aus zwei Kontinenten und 4 Ländern zusammen. Wolfgang Bieck, Co-Organisator des Treffens, stellte hier die PICAVET-Aufhängung mit ihren überzeugenden Vorzügen in Bau und Funktion vor. Wie sich herausstellte, war dies eine Initialzündung für die Weiterentwicklung der PICAVET-Aufhängung, u.a. auch in den USA, Italien,Japan und Australien.”

Stark verkürzter Auszug aus einem Artikel der Sport&Design Drachen 5/1995. Autoren des Artikels in alphabetischer Reihenfolge der Namen: Ralf Beutnagel, Wolfgang Bieck, Otto Böhnke.

Auch für mich bot dieses KAP-Treffen viele Anregungen. Ich baute zunächst die in Bad Bevensen vorgestellte Aufhängung nach und begann, das ganze System aus Seil, Kreuz und Umlenpunkten zu begreifen. Eigene Experiemente folgten. Ich entdeckte neue Kreuzformen und verschiedene Arten, wie man ein und dasselbe Kreuz einfädeln konnte. Vollkommen systematisch untersuchte ich daraufhin alle gefundenen Varianten. Mit kugelgelagerten Mini-Blöcken, CFK-Rohr und Drachenverbindern baute ich schliesslich meine erste “Typ Rendsburg”-Aufhängung. Ihr zur Seite gestellt wurde dann noch meine Dreiecksversion in gleicher Bauweise. Beide Versionen setze ich unerverändert immer noch ein. Mein Bemühen um die Picavet-Aufhängung wurde mit dem FLiBB Award Innovation 1996 ausgezeichnet.

Die Seilführung elliptischer Seilpendelaufhängungen

1.) Varianten mit nur einem Balken:

Querbalken

Längsbalken

Dies sind zwei Varianten mit nur einem Balken. Ihr Vorteil: Sie sind extrem leicht. Nachteil: Gegenüber den anderen, folgenden Varianten stellen sie sich nach einer Auslenkung zwar auch sehr schnell grob zurück, sie können jedoch dann noch leicht weiter “zittern”.

2.) Varianten mit einem Kreuz:

Variante A

Variante B

Variante X

Variante Y

Ein Kreuz, aber 4 verschieden Möglichkeiten, die Schnur einzufädeln. Von der Funktion her sind die Varianten A und B sowie X und Y jeweils absulut identisch. Unterschiedlich in der Funktion sind jedoch die Varianten A/B und X/Y ! Man sollte immer die Variante A oder B verwenden, jedoch nie X oder Y.
Bei der Variante A bzw. B ist der in der Zeichnung rechte Doppelblock an der Drachenschnur der wichtige: Je eine Umlenkscheibe verbindet die beiden Umlenkpunkte am Quer- und am Längsbalken direkt. Diese Möglichkeit bieten die Varianten X und Y nicht, sie sind deswegen nicht so geeignet.

Die vier Varianten stehen in geometrischen Beziehungen zueinander. Die Varianten möchte ich mal mit Händen und Füssen vergleichen. Die Varianten A mit B sowie X mit Y stehen wie Bild und Spiegelbild zueinander. Vergleichbar etwa mit der Beziehung rechte Hand zu linker Hand und rechter Fuss zu linkem Fuss. Die Variante A verhält sich zu Variante X hingegen wie ein rechter Fuss zu einer rechten Hand, Variante B zu Variante Y wie linke Hand zu linkem Fuss. Es gibt hierfür auch spezielle Fachausdrücke, Mesomerie und Chiralität sollen als Schlagworte hier reichen.

3.) Variante Typ Rendsburg:

Dem Typ Rendsburg dient wie den Kreuzvarianten auch ein virtuelles Viereck als Basis für die Anordnung der Rollen im Gerüst. Dieses ist jedoch um 45 Grad gedreht. Dadurch ergeben sich je zwei Kreuzungspunkte mit aufgefädelten Ringen bei der Seilführung. Namensgebend ist die Schwebefähre in Rendsburg, die in ähnlicher Weise aufgehängt ist und dort seit 1913 den Nord-Ostsse-Kanal überquert.

4.) Variante Dreieck:

Das Dreieck ist neben dem Typ Rendsburg meine Lieblingsvariante. Statt den Ringen an den Seilkreuzungspunkten muss hier ein Stab mit Ösen eingefädelt werden. Die oberste Rolle in der Zeichnung rechts an der Drachenschnur habe ich in meiner aktuellen Bauweise ersatzlos gestrichen. Ausser beim Dreieck ist in allen anderen Varianten die Schnur endlos, also umlaufend.

Die Picavet-Aufhängung in der Praxis - FAQ

Welche Variante? Die erste Frage ist immer die, welche der gerade vorgestellten Variante denn zu empfehlen sei. Funktionieren tun sie alle und meine Vorlieben habe ich auch zum Ausdruck gebracht. Den Typ Rendsburg kann man besonders leicht einfädeln, ein Kreuz hingegen sehr leicht bauen. Das Dreick ist etwas komplizierter, weil man hier ein Stab mit Ösen genau einpassen muss. Dafür gefällt mir bei dieser Variante das Packmass. Zwischen diesen drei Varianten sollte man sich wohl zuerst entscheiden.

Wie gross? Die zweite Frage geht immer in Richtung Grösse. Die Stäbe der original Picavet-Aufhängung waren mehr als 70 cm lang. Recht schnell wurde sie jedoch von den KAPern zerlegbar gestalltet. Da man sie häufig aus Aluprofilen gebaut hatte, ergab sich sehr oft eine Stablänge von 50 cm: ein einziges 1 m Aluprofil aus dem Baumarkt wurde einfach halbiert und zu einem Kreuz zusammengesetzt. Aber auch diese Kreuze sind noch zu sperrig. Wolfgang Bieck trieb dann die Miniturisierung auf die Spitze, sein kleinstes Modell passt in eine Hemdtasche. Ganz so klein muss man jedoch nicht gehen. Ich gebe daher mal so 30 cm Stablänge als Richtwert für erste eigene Versuche an.

Wie lang? Die dritte Frage zielt dann immer auf die Schnurlänge. Die Antwort gibt die Praxis: Wenn ich die Aufhängung an beiden Aufhängepunkten mit langen Armen hochhebe, muss das Rigg frei schweben können, damit ich es auf der Drachenwiese frei tragen kann. Eine Kreuzvariante hat 8 Schnurschenkel, Rigg plus 1,80 m Höhe kann ich mit meinen Armen noch erreichen, also ca. 8 x 1,80 m ergibt ca. 15 m Schnur, die man einfädeln sollte. es gibt aber auch KAPer, die sich mit wesentlich weniger Schnurlänge begnügen.

Rollen, Ösen? In meinen Zeichnungen habe ich überall Rollen eingezeichnet. Es gibt immer wieder Diskussionen, ob man wirklich überall Rollen braucht, ob man nicht auch Ösen verwenden kann oder ob man auch einfach an einigen Stellen einfach nur Knoten machen kann. Nein, es gibt keine abschliessende Antwort auf diese Frage. Hinter jeder Antwort steckt nämlich auch sehr viel Philosophie. Ich jedenfalls bevorzuge die Komplettlösung mit kugelgelagerten Rollen an allen Positionen.

Hinten, vorne? Es ist fast egal, welcher Aufhängepunkt der Picavet-Aufhängung drachenseitig ist. Nur das Dreieck sollte man wie gezeichnet einhängen, bei allen anderen Varianten spielt es keine Rolle.

Wie weit auseinander? Diese Frage, wie weit die Aufhängepunkte auseinander zu befestigen sind, kann man auch nicht in cm beantworten. Aber es gibt die Regel, dass das Dreick, das mit den Eckpunkten Rollen am Längsstab und Ring an der Schnurkreuzung gebildet wird, ein gleichseitiges sein soll. Je nach Leinenwinkel der Drachenschnur muss man hier vor Ort immer eine passende Einstellung finden.

 

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